Der Orgel- und Instrumentenbauer Gottfried Silbermann

Kein anderer Orgel- und Instrumentenbauer ist bis heute selbst über Sachsen hinaus derart im öffentlichen Bewusstsein verankert wie Gottfried Silbermann (1683-1753), und wohl kaum ein anderer vermochte es, eine ganze Orgellandschaft in solcher Intensität zu prägen wie er. Von den gesicherten 50 Orgelneubauten Silbermanns (darunter vier Instrumente in Straßburg / Elsass aus den Jahren 1703 bis 1709, an deren Errichtung er während der Lehrzeit bei seinem Bruder Andreas beteiligt war) sind in Sachsen 31 erhalten geblieben und locken mit ihrem Klangreichtum jährlich tausende Besucher aus nah und fern. In der Nähe von Frauenstein betrifft dies die Orgel in der Dorfkirche zu Nassau.

Gottfried Silbermann wurde am 14. Januar 1683 in Kleinbobritzsch (seit 1974 ein Ortsteil von Frauenstein) geboren. Bereits drei Jahre später zog die Familie nach Frauenstein um, wo Silbermann die Stadtschule besuchte und später wohl das Tischlerhandwerk erlernte. Ob er hingegen wirklich bereits 1697 in Freiberg eine Buchbinderlehre abschloss, wie eine Anfang 2016 aufgefundene Quelle teilweise interpretiert wurde, ist sehr fraglich: Gegen diese These spricht vor allem das selbst für das 17. Jh. außerordentlich jugendliche Alter Silbermanns, der dann bereits mit elf Jahren das Elternhaus verlassen hätte, wovon angesichts des wirtschaftlich relativ gesicherten Standes der Familie (der Vater führte den Titel eines kurf. Amtszimmermeisters) nicht auszugehen ist. Wahrscheinlicher ist eine Verwechslung mit einem Namensvetter des späteren Orgelbauers: So war der Name "Silbermann" nach den Forschungen Werner Müllers in der Umgebung Freibergs um 1700 derart verbreitet, dass eine Unterscheidung der Einzelpersonen nach 300 Jahren teilweise nicht mehr möglich ist.

1701 verließ Silbermann seine Heimat, um bei seinem fünf Jahre älteren Bruder Andreas (1678-1734) den Orgelbau zu erlernen. Die hierbei empfangene Prägung durch den französischen Orgelbau verschmolz Silbermann mit mitteldeutschen Traditionen zu seinem einzigartigen Personalstil, den er bis zu seinem Lebensende nur wenig abwandelte.

Orgel im Gottfried Silbermann Museum

Gottfried-Silbermann-Museum; Fotograf: Martin Geisler, 2012; Quelle: upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/Frauenstein_Silbermann-Museum.jpg

Bereits unmittelbar nach der Rückkehr nach Sachsen 1710 erhielt Silbermann die Gelegenheit zum Bau zweier prominenter Orgeln in der Stadtkirche zu Frauenstein und im Freiberger Dom. Im Falle des 1711 fertiggestellten Frauensteiner Instruments verzichtete er aus Heimatliebe und zur Ehre Gottes, wie er selbst schrieb, auf seinen Lohn. Bereits 1728 fiel dieser erste selbständige Orgelbau Gottfried Silbermanns in Sachsen dem verheerenden Stadtbrand zum Opfer (wie 1869 das 1738 eingeweihte Nachfolgeinstrument, das ebenfalls von Silbermann stammte). Mit der 1714 fertiggestellten Domorgel in Freiberg - hierher hatte Silbermann mittlerweile seine Werkstatt verlegt - lieferte er hingegen sein frühes Meisterwerk ab, das seit nunmehr 300 Jahren ohne nennenswerte Eingriffe annähernd originalgetreu erhalten blieb und heute zu den berühmtesten Orgeln der Welt zählt. 

Die Freiberger Domorgel begründete den exzellenten Ruf Silbermanns und zog Auftrag um Auftrag nach sich. Etwa 45 Orgeln wurden bis 1753 aus der Freiberger Werkstatt geliefert, die allesamt aufgrund ihrer musikalischen und handwerklichen Qualität gerühmt wurden [Übersichtskarte]. Gleichzeitig gelangte Silbermann mit ausgesprochen geschicktem Wirtschaften zu für einen Orgelbauer beachtlichem Wohlstand. Hierzu trug auch die rationale Arbeitsweise der Werkstatt bei, die ähnlich einem Baukastenprinzip fünf Orgeltypen unterschiedlicher Größe entwickelte, die im Laufe der Jahre nur wenig verändert wurden.

Mit der Ernennung zum königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Hof- und Landorgelbauer 1723 erreichte Silbermann eine Art Monopolstellung für Orgelneubauten in Sachsen. Daraus resultierten langwierige Streitigkeiten mit Zacharias Hildebrandt (1688-1757), seinem talentiertesten Schüler, der nach Beendigung seiner Ausbildung 1723 Silbermanns Monopol in Frage stellte und in Folge eines Kompromisses auf die Gegend um Leipzig und die Thüringischen Gebiete Sachsens ausweichen musste.

Von Silbermanns späteren Orgelbauten sind neben den Freiberger Instrumenten - die Stadt besaß als einzige fünf Orgeln aus der heimischen Werkstatt (davon sind bis heute vier erhalten: zwei im Dom, jeweils eines in der Petri- und Jacobikirche) - besonders die für die Residenzstadt Dresden geschaffenen Orgeln von Bedeutung: die Orgeln der Sophienkirche (1720/siehe hier), das monumentale, mit einem Konzert Johann Sebastian Bachs eingeweihte Werk in der Frauenkirche (1736) und als größtes Instrument und Krönung seines Schaffens die Orgel der Katholischen Hofkirche (1750 begonnen, erst nach Silbermanns Tod 1755 eingeweiht). Nur letztere entging durch rechtzeitige Auslagerung dem Feuersturm vom 13. Februar 1945, dem die anderen Instrumente zum Opfer fielen.

Wirtschaftlichen Erfolg und Ruhm hatte Silbermann jedoch nicht nur dem Orgelbau zu verdanken, denn er erwarb sich gleichfalls große Verdienste um die Entwicklung besaiteter Tasteninstrumente. Neben Cembali und Clavichorden sind hier besonders die Silbermannschen Hammerflügel zu erwähnen, von denen sich mehrere im Besitz König Friedrichs II. von Preußen befanden und teilweise bis heute in den Potsdamer Schlössern erhalten sind.

Silbermann erkrankte bereits vor Baubeginn an der Hofkirchenorgel schwer und musste deren Realisierung dem erwähnten Zacharias Hildebrandt übertragen, mit dem er sich mittlerweile wieder ausgesöhnt hatte. Silbermann starb am 4. August 1753 in Dresden und wurde auf dem dortigen Johanniskirchhof beigesetzt, der 1858 aufgelöst wurde.

Silbermanns Orgelbauprinzipien waren durch die weite Verbreitung seiner Instrumente wie über seine Schüler von enormem Einfluss auf den sächsischen Orgelbau bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Darüber hinaus steht auch der preußische Orgelbau in Silbermanns Tradition, indem sein zeitweiliger Schüler Joachim Wagner (1690-1749) in Brandenburg eine ähnliche Stellung erlangte wie Silbermann in Sachsen und über seine eigenen Schüler (Johann Peter Migendt, Ernst Marx) den brandenburgischen Orgelbau ebenfalls bis nach 1800 dominierte (Johann Simon und Carl August Buchholz). Ehemalige Mitarbeiter Silbermanns begründeten wiederum während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) den Klavierbau in England.

Seit 1990 widmet sich die Gottfried-Silbermann-Gesellschaft e.V. mit Sitz in Freiberg der Erforschung von Leben und Werk Silbermanns. Sie veranstaltet zahlreiche Konzerte, Vorträge und Exkursionen und tritt mit einschlägigen Publikationen an die Öffentlichkeit. Das 1983 eingerichtete Gottfried-Silbermann-Museum im Schloss Frauenstein präsentiert neben zahlreichen Dokumenten zur Person Silbermanns ein funktionsfähiges Modell einer Schleifladenorgel sowie die Kopie einer heute im Bremer Dom befindlichen Silbermannorgel, an der in regelmäßigen Abständen Konzerte stattfinden. (TK)

Orgel Gottfried Silbermanns in Nassau

Silbermannorgel der Kirche in Nassau