Geschichte Weesensteins von 1626 bis 1772

Nach dem auch für Weesenstein verheerenden Dreißigjährigen Krieg erlebte das Schloss unter der Familie von Bünau eine neue Blütezeit. Der von ihnen begonnene hochbarocke Schlossumbau musste aufgrund der Ereignisse des Siebenjährigen Krieges jedoch eingestellt werden. Als sich die finanziellen Verhältnisse der Bünaus auch nach dem Hubertusburger Frieden 1763 nicht verbesserten, waren sie 1772 gezwungen, Schloss Weesenstein an die Familie von Uckermann zu verkaufen, die in eben jenem Krieg zu ungeheurem Wohlstand gekommen war.

Geschichte Weesensteins von 1626 bis 1719

Nach dem Aussterben der älteren Linie der Bünaus übernahm 1626 Heinrich III. aus der jüngeren Linie auf Lauenstein inmitten unguter Zeiten das Schloss Weesenstein. 1618 hatte der Dreißigjährige Krieg begonnen. Mit dem Restitutionsedikt des Kaisers von 1629 wurde auch Sachsen in die Auseinandersetzungen hineingezogen. Das Edikt forderte die Rückgabe der in der Reformation in Staatsbesitz übernommenen Kirchengüter und hätte den finanziellen Ruin für die protestantischen Fürstentümer bedeutet. 1630 griff Schweden in den Krieg ein, woraufhin sich Sachsen gezwungen sah, der protestantischen Union beizutreten. Das Kurfürstentum wurde nun von den Kaiserlichen als Feindesland behandelt. 1635 scherten im Frieden von Prag unter Führung Sachsens viele protestantische Reichsstände unter der Bedingung einer 40jährigen Aussetzung des Restitutionsedikts aus dem Bündnis mit Schweden aus. Daraufhin wurde Sachsen insbesondere 1639 von den Schweden heimgesucht. Am 23. April 1639 wurde Schloss Weesenstein besetzt, in das sich die Bevölkerung der umliegenden Dörfer geflüchtet hatte. Eine Tochter des Pfarrers soll sich in ihrer Verzweiflung in den Burgbrunnen (Link Panorama) gestürzt haben. Das Schloss wurde geplündert und gebrandschatzt, das Archiv verwüstet. Die größten Schäden dürften im Bereich des Saalbaues mit dem Festsaal des Mönchsbodens entstanden sein.

Schloss Weesenstein um 1750, Rekonstruktion

Schloss Weesenstein, vereinfachte Rekonstruktion der Zeit um 1750; Arte4D für Arstempano

In der Zeit nach dem Westfälischen Frieden 1648 besaßen zunächst die Behebung der Kriegsschäden und die Gewinnung neuer Einnahmequellen Priorität. So scheint im Bereich des Saalbaues das auf Gemälden des 18. Jh. dokumentierte Notdach entstanden zu sein. Dabei brach man wohl auch Teile des Außenmauerwerks des 4. OG ab, so dass die Malereien des Möchsbodens bis heute im Dachstuhl zu besichtigen sind. Der Brauhof wurde spätestens im 17. Jh. Zentrum der florierenden Schlossbrauerei. Um die unteren Gewölbe des Saalbaues hierfür nutzen zu können wurde vom Brauhof ein Stollen zu diesen Gewölben getrieben. Zwischen dem Unterschloss und dem Oberschloss wurde wohl ein erster Treppenaufgang geschaffen, der nach 1719 erneuert wurde. Eine Gesundung der finanziellen Verhältnisse des hier ansässigen Familienzweiges der Bünaus gelang aber nicht. So wurde Schloss Weesenstein 1719 an Helena von Bünau, geborene Vitzthum von Eckstädt verkauft. Sie war mit Rudolf V. (1683-1752) verheiratet, der am Hofe August des Starken Kammerherr war.

Das Barockschloss Weesenstein 1719 - 1772

Für die neuen Besitzer stellte das nur notdürftig wiederhergestellte Renaissanceschloss keinen standesgemäßen Wohnsitz mehr dar. Das Oberschloss war für die Anlage barocker Appartements zudem denkbar ungeeignet. Man entschloss sich daher, dass Unterschloss entsprechend auszubauen. Als Ersatz der hier befindlichen Wirtschaftsräume wurde ab 1745 das Vorschloss in der noch heute weitestgehend erhaltenen Form errichtet. Im Erdgeschoss des Unterschlosses konnte die Küche mit allen notwendigen Nebenräumen untergebracht werden. Im Obergeschoss richtete man hingegen die neuen Wohnräume ein. Von der Durchfahrt führt ein 1720 errichtetes Treppenhaus in den Vorsaal des Oberschlosses (heutiges Sallettchen). Dieser erhält sein Licht über drei große Rundbogenfenster vom Schlosshof (Link Panorama). Vom Vorsaal gehen nach links und rechts lange Erschließungs- bzw. Bedienungsflure ab, über die z.B. die Öfen befeuert werden konnten. Über zwei weitere Türen wurde der benachbarte Speisesaal mit seiner kostbaren Stuckdecke betreten. Besondere Zierde des Raumes mit Blick über die Schlossbrücke ist die Mechelner Goldledertapete. Vom Speisesaal sind die Enfiladen im dorf- und parkseitigen Flügel zugänglich. Dorfseitig befanden sich zuerst die Räume des Herrn und im hinteren Bereich die der Dame, während im parkseitigen Flügel zwei kleine Appartements für Kinder oder Gäste untergebracht waren. Abgeschlossen wurde die Raumflucht mit einem Theatersaal, der wohl allerdings erst in den 1740er Jahren eingerichtet wurde.

Speisesaal der Bünauzeit im Schloss Weesnstein

Ehemaliger Speisesaal der Bünauzeit im Unterschloss; Fotografie A. Hummel 2009; mit freundlicher Genehmigung von Schloss Weesenstein

Um die Schlosskapelle im Oberschloss bequem erreichen zu können, wurde ein neues Treppenhaus zwischen Unter- und Oberschloss inkl. weiteren Nebenräumen errichtet. Aber auch die nun über 200 Jahre alte Schlosskapelle sollte ersetzt werden. Von 1739 bis 1741 wurde nach Plänen des Dresdner Ratszimmermeisters Johann Georg Schmid, einem Schüler George Bährs, eine neue Schlosskirche errichtet. Die herrschaftliche Familie wohnte dem Gottesdienst in der reich verzierten und beheizbaren Patronatsloge bei. Als Vorsaal der Schlosskirche diente der Herrschaft der ehemalige Rittersaal an der neuen Treppe. Der Kanzelaltar ähnelt in seiner Ausformung zeitgleichen Beispielen in Dresden. Die neue Orgel war ein Werk von Johann Tobias Dressel aus Buchholz. Nach 1918 wurden Teile davon durch die Firma Jehmlich ersetzt. Die noch heute das Schloss bekrönende Haube des Schlossturms wurde 1747 wohl nach Plänen von Johann Andreas Hünigen errichtet. Eine Gruft besaß die Schlosskapelle allerdings nie. Die verstorbenen Familienmitglieder der Bünaus wurden zumeist in der Kirche in Burkhardswalde etwa 3 km entfernt bestattet.

Felsen im unteren Schlosshof zu Weesenstein

Schloss Weesenstein, abgearbeiteter Felsen im unteren Schlosshof; Fotografie A. Hummel 2016

Inwieweit die weiteren Räume des Oberschlosses noch genutzt wurden, ist unklar. Der Billardsaal wurde wohl erst nach der Jahrhundertmitte errichtet. Ein Gemälde des Schlosses von etwa 1750 zeigt an dieser Stelle immer noch das Notdach des 17. Jahrhunderts neben den bis 1747 fertiggestellten neuen Bauteilen wie Schlossturm, Kirchendach oder Vorschloss. Der Ofen von 1720 könnte auch erst durch Familie von Uckermann hierher im Zuge der Neueinrichtung des Unterschlosses nach 1772 versetzt worden sein. Die eher einfachen Räume des vorderen Querhauses waren sicherlich als solche noch genutzt. Ebenso findet sich im Hinteren Querhaus ein Raum mit barocker Stuckkehle und Kaminachse. Die barocke Pracht der Räume im Unterschloss sucht man im Oberschloss allerdings vergeblich.

Felsengang im Schloss Weesenstein

Schloss Weesenstein, Felsengang mit den ehemaligen Burgportalen zwei Meter über der heutigen Laufebene, Fotografie A. Hummel 2016

Der Betrieb des Brauhofes war aufgrund der Steilheit des Felsenganges mit Problemen verbunden. Hier wurde Abhilfe geschaffen, indem der Felsen im Bereich des unteren Schlosshofes und des Felsenganges teilweise um mehrere Meter abgearbeitet wurde. Das Portal von 1575 versetzte man dabei an das Torhaus des Unterschlosses. Das dritte Burgtor mit seinem gotischen Spitzbogen hängt seitdem im Felsengang förmlich in der Luft. Die neue Durchfahrt zum Brauhof wurde mit der heute noch erhaltenen Treppenanlage überfangen (Link Panorama), welche ihren Ausgang bei der neu geschaffenen Terrasse am Felsengang nimmt. Von der Terrasse ergab sich ein schöner Blick auf den Barockgarten mit seinem Pavillon(Link Panorama). Ein Gemälde von etwa 1750 deutet diese Gartenanlagen an. Das Äußere des Schlosses erhielt in weiten Teilen einen neuen illusionistischen Anstrich in gelben Farbtönen, ähnlich denen, wie sie an den Pavillonbauten des Vorschlosses wiederhergestellt wurden (Link Panorama).

Schlosshof des Unterschlosses Weesenstein

Schloss Weesenstein, Unterschloss mit den Bogenfenstern des "Sallettchens"; Fotografie A. Hummel 2016

Bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 war Schloss Weesenstein zu einem der bedeutenden Barockschlösser Sachsens geworden. Die Blütezeit der Renaissance war an einzelnen Bauteilen wie dem Portal oder den Ziergiebeln des vorderen Querhauses ebenso erkennbar wie die mittelalterlichen Wurzeln des Baues. Während das Schloss selbst im Siebenjährigen Krieg wohl keine nennenswerten Schäden hatte, richteten die Kontributionen und Plünderungen der durch Sachsen ziehenden Heerscharen den Reichtum der Untertanen und die Finanzen der Bünaus zugrunde. Rudolf VI., Sohn des 1752 verstorbenen Rudolf V., sah sich daher 1772 gezwungen, den Weesenstein zu verkaufen, womit die 366jährige Familiengeschichte der Bünaus auf Weesenstein zu Ende ging.

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