Burg Weesenstein und die Dohnaer Burggrafen

Die Geschichte der Schlossanlage Weesenstein ist von der Gründung der Burg bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts nicht ohne die Burggrafen von Dohna zu schreiben. Die Burggrafschaft Dohna ging aus einem slawischen Burgward hervor und war mithin eine der ältesten deutschen Stützpunkte im oberen Elbtal zwischen Meißen und der Grenze zu Böhmen. Ihre Einrichtung erfolgte sicherlich bereits wenige Jahrzehnte nach der Gründung Meißens im Jahre 929. Eine Besonderheit der Herrschaft war ihre Lage zwischen dem entstehenden Territorialstaat der Meißner Markgrafen und dem Königreich Böhmen, zu dem im Mittelalter große Teile der Sächsischen Schweiz und auch Pirna gehörten. Dabei fühlten sich die Burggrafen je nach Opportunität entweder dem Meißner Markgrafen oder dem böhmischen König Untertan und waren somit der lachende Dritte im Streit der beiden größeren Kontrahenten. Ende des 14. Jahrhunderts nutzten die Markgrafen von Meißen die Schwäche des Königreiches Böhmen nach dem Tode Kaiser Karls IV. aus und verleibten sich in der Dohnaer Fehde neben Pirna und dem Königstein auch die Burggrafschaft Dohna ein. Der Weesenstein spielte in diesen Auseinandersetzungen keine geringe Rolle, war er doch direkter Vorposten der nur 3 km entfernten Stammburg der Burggrafen zu Dohna. Bei folgenden Fehden konnten weitere Gebiete in der heutigen Sächsischen Schweiz erobert werden. Im Jahre 1459 einigten sich die Markgrafen von Meißen mit den Königen von Böhmen im Vertrag von Eger auf einen neuen Grenzverlauf, der im wesentlichen noch heute gültig ist und somit zu den ältesten Grenzverläufen in Europa zählt.

Vorgeschichte von Weesenstein

In der Zeit der Gründung der Burg Meißen durch König Heinrich I. im Jahre 929 lag Weesenstein am südlichen Rand der von den Slawen in besiedelten Elbhänge im Gau Nisan zwischen Gauernitz und Heidenau. Sie lebten in kleinen Weilern bzw. Rundlingen von Ackerbau und Viehwirtschaft. Ihre Siedlungen sind heute noch in der Ortsstruktur und den typischen, oftmals auf -itz endenden Ortsnamen erkennbar. Nordwestlich Weesensteins sind Sürßen, Gorknitz oder Bosewitz prägnante Beispiele dieser bis auf die Slawenzeit zurückgehenden Siedlungen. Ab einer Höhe von etwa 250 Metern ü. NN begann bereits der Wald des Erzgebirges, der sich bis zu den besiedelten Räumen im Königreich Böhmen hinzog. Die wenigen Wegeverbindungen vom Elbraum über das Gebirge nach Böhmen verliefen über Höhenzüge abseits der zumeist unpassierbaren Täler. In der Nähe von Weesenstein verlief der Kulmer Steig, der von Dohna kommend den Kamm des Erzgebirges über den Nollendorfer Pass (Naklérov) überquerte und nach Kulm (Chlumec) und von dort weiter Richtung Prag führte.

Der slawische Burgwall auf dem Burgberg in Dohna wurde wohl noch unter Kaiser Otto I. Sitz der gleichnamigen Burggrafschaft, welche die Verwaltung des Gaues Nisan in seinem Auftrag sicherstellte. Die strategische Bedeutung des Ortes wird daraus ersichtlich, dass 1040 hier die Heere Markgraf Eckehards II. und des Mainzer Erzbischofs Bardo versammelt wurden, bevor sie nach Böhmen zogen. In Dohna entstand im Vorburgbereich wohl noch im 11. Jh. zur Missionierung der slawischen Bevölkerung eine der ersten Kirchen im Gau Nisan. 1076 wurde Herzog Vratislav II. von Böhmen von Kaiser Heinrich IV. mit der Burggrafschaft belehnt.

Weesenstein um 1400, Südostansicht

Burg Weesenstein von Südosten; vereinfachter Rekonstruktionsversuch der Zeit um 1400; Arte4D für Arstempano

Im Jahre 1156 wird Henricus castellanus de Donin erwähnt. Er ist der erste Burggraf aus dem Geschlecht der Edelfreien von Rötha. Heinrich begann in seinen Ländereien recht bald mit der Kolonisation durch deutscher Siedler. Er und seine Nachkommen bemühten sich, einen reichsunmittelbaren Territorialstaat aufzubauen. Bis zur Mitte des 13. Jh. erstreckte sich ihr Territorium, das sie mittels Vasallen verwalteten, im Westen bis zur Weißeritz mit der Burg Rabenau und Burg und Stadt Dippoldiswalde, nach Nordwesten bis vor die Tore Dresdens, im Norden bis zur Elbe und im Südosten bis Liebstadt. Im Altsiedelland oder auf gerodetem Land wurden Dörfer und Städte gegründet und Burgen gebaut. Das Müglitztal selbst blieb allerdings noch weitgehend menschenleer. Der Landesausbau lief nicht ohne Konflikte ab. So wurde etwa die neu errichtete dohnaische Burg Thorun (bei Pesterwitz) auf dem Territorium des Bischofs von Meißen durch einen Schiedsspruch Markgraf Dietrich des Bedrängten in Dresden im Jahre 1206 geschliffen. Trotzdem konnten sich die Dohnaer Burggrafen vorerst durchsetzen, waren in Dresden königlicher Gerichtsherr und besaßen ein Kastell unmittelbar an der Elbbrücke, hatten eine eigene Münze und in Dohna eine eigene Gerichtsbarkeit (Schöppenstuhl). Erbbegräbnis der Burggrafen war eine eigene Kapelle im Kloster Altzella.

Die Burg Weesenstein in der Zeit der Burggrafen zu Dohna

Für die Gründung der Burg Weesenstein gibt es keine schriftliche Quellen. Erstmals wird sie 1318 mit "Weysinberg, dem huse" in einer auf der Wartburg ausgestellten Urkunde erwähnt, in der die Lehnsabhängigkeit des Burggrafen Otto III. von Dohna von den Meißner Markgrafen festgestellt wird. Vermutlich wurde der Weesenstein als Vorposten der Burg Dohna gegen das Gebirge hin errichtet und verfügte mit den kleinen Dörfern Falkenhain, Döbra und Borna anfänglich kaum über eigenen Landbesitz. Das Tal der Müglitz selbst war wohl noch immer unbewohnt und der Zugang zur Burg erfolgte vom Hochland über das Kerbtal von Meusegast her. Erst Jahrhunderte später vergrößerten neue Eigentümer durch Zukauf den Grundbesitz der Herrschaft und im Tal siedelten sich nach und nach die Bediensteten des Schlosses Weesenstein an. Die erste Befestigung auf dem strategisch günstigen Felsen im Tal war wohl eher aus Holz, erst später kamen nach und nach Steinbauten hinzu.

Am 15.11.1372 unterzeichneten Kaiser Karl IV. und die Brüder Friedrich III., Balthasar und Wilhelm I. aus dem Hause Wettin in Pirna einen Vertrag zur Grenzfestlegung. Dieser erschwerte das Lavieren der Burggrafen von Dohna zwischen den beiden Parteien. Wenig später wurde die Burggrafschaft im Verlauf der sog. "Dohnaischen Fehde" schließlich von der Landkarte getilgt. 1482 berichtet Nickel von Köckeritz von dem Vorfall, der die Fehde ausgelöst habe: "Es war einer von Korbs, der schlugk dem jungen her JESCHKEN ein beyn under uff dem Tantzhawse zu dresden, do slugk JESCHKO Korbs uffs mawl". Der Burggraf hatte wohl einen Tanz mit der Frau des Ritters von Körbitz gewagt. Daraus entspann sich eine jahrelange Privatfehde der beiden Parteien mit gegenseitigen Verwüstungen, Gefangennahmen und Verunsicherung der Handelswege. Markgraf Wilhelm der Einäugige sah dem Treiben zunächst untätig zu, nutzte aber die Gunst der Stunde, als der böhmische König Wenzel IV. im Jahre 1400 als römisch-deutscher König abgesetzt wurde und auch in Böhmen in Schwierigkeiten steckte. Wilhelm verlegte die Handelsstraße nach Pirna und besetzte Heidenau und Rabenau. Im März 1401 wurde Dippoldiswalde besetzt und danach ein Waffenstillstand geschlossen, der wohl bis zum Spätsommer hielt. Bei den erneuten Kampfhandlungen wurde Otto Mul von Dohna bei Hellendorf getötet, Maxen besetzt sowie die Belagerung der Burg Dohna begonnen. Erst am 19. Juni 1402 konnte die sturmreif geschossene Burg nach fast einjähriger Belagerung erobert werden. Burggraf Jeschke floh nach Weesenstein und von dort bereits vier Tage später auf den Königstein. Von dort begab er sich nach Buda in Ungarn zu Kaiser Sigismund, wo er 1403 geköpft worden sein soll.

Weesenstein, Vogelperspektive von Osten um 1400

Burg Weesenstein, Vogelperspektive von Osten; vereinfachter Rekonstruktionsversuch der Zeit um 1400; Arte4D für Arstempano

In der Zeit der Belagerung der Burg Dohna soll Jan von Dohna bei Burkardswalde erschlagen worden sein. 1988 fand man auf Meusegaster Flur den oberen Teil eines Steinkreuzes, welches vermutlich in diesem Zusammenhang entstand und heute im Schloss Weesenstein aufbewahrt wird. Ein weiteres Steinkreuz bei Dresden-Hellerau erinnert an den Kriegsmann Jonas Daniel. Dieser sollte die beiden Kinder des Burggrafen nach Königsbrück in Sicherheit bringen, geriet dabei aber in einen Hinterhalt. Seinen Knappen gelang es immerhin, die Kinder nach Königsbrück zu bringen. Bis zum 14.09.1402 lagen noch markmeißnische Truppen in der Gegend von Burkhardswalde, Lindigt und Maxen. Dabei muss auch der Weesenstein durch Beschuss mit Bliden (Steinschleudern) erheblich beschädigt und wohl auch erobert worden sein (Fund von Steinkugeln mit ca. 150 kg Gewicht und bauarchäologische Nachweise).

Dresden hellerau, Steinkreuz

Das Steinkreuz zum Gedenken an Jonas Daniel in Dresden Hellerau; Fotografie A. Hummel 2017 (ursprünglicher Text: FIN MILIT HONAS DAN)

1405 konnte Markgraf Wilhelm noch Pirna in seinen Besitz bringen. Der Königstein ging zwar nach der Eroberung 1406 noch einmal in böhmische Hände, konnte aber 1408 endgültig von markmeißnischen Truppen besetzt werden. Damit war jeglicher Rückhalt der Burggrafen in der Region verloren. Das jahrhundertealte Burggrafentum Dohna hörte auf zu existieren. Bei weiteren Fehden der Wettiner mit böhmischen Adeligen im Raum Hohnstein sowie der Hinteren Sächsischen Schweiz konnten auch diese Gebiete für die Wettiner gesichert werden. Schließlich einigte man sich mit dem nunmehrigen König Podiebrad von Böhmen im Vertrag von Eger. Einige Besitztümer wie die Riesenburg bei Osek wurden wieder böhmisch, andere wettinische Besitzungen bestätigt. Der im Vertrag von Eger 1459 festgelegte Grenzverlauf hat im Wesentlichen noch heute seine Gültigkeit.

Die Gestalt der Burg Weesenstein vor 1402

Burg Weesenstein um 1400, Ostansicht

Burg Weesenstein von Osten; vereinfachter Rekonstruktionsversuch der Zeit um 1400; Arte4D für Arstempano

Die Geschichte der Burg Weesenstein zur Zeit der Donins liegt aufgrund der umfangreichen Umbauten und Erweiterungen weitgehend im Dunkel der Geschichte. Der von der Müglitz umflossene Bergsporn aus Knotenglimmerschiefer mit Quarziteinlagerungen, der von einer flachen Senke vom rückwärtigen Bergmassiv getrennt wurde, bot günstige Voraussetzungen für den Bau einer Befestigung. Die Quarziteinlagerungen, wegen ihrer milchigen Erscheinungsform auch falscher Opal genannt, gaben der Burg ihren sich im Laufe der Jahrhunderte wandelnden Namen: vom Weysinberg (Weißer Berg) zum sächsischen Weesenstein.

Eine der ersten Maßnahmen dürfte das Vertiefen der Senke zu einem kaum überwindbaren Halsgraben (Link Panorama) gewesen sein, der auch Baumaterial für Mauern und Wälle lieferte. Anfänglich wurde der Graben sicherlich nur von einer im Belagerungsfall schnell abzubrechenden Holzbrücke überspannt. Jenseits des Grabens befand sich ein erstes von einem kleinen Turm flankiertes Burgtor (heute Torhaus des Unterschlosses). Der weitere Aufstieg geschah wohl damals schon durch den Felsengang, nur um einige Meter höher gelegen. Im Bereich des hinteren Querhauses befand sich das Tor zur Oberburg. Am höchsten Punkt des Felsens wurde spätestens in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der runde Bergfried (heutiger Schlossturm) und am Westrand des oberen Burghofes ein wohnturmartiges Gebäude errichtet. Sein unteres Gewölbe mit Wandstärken von knapp 3 Metern ist im Oberschloss erhalten. Ein Umgang aus Eichenholz zu Verteidigungszwecken konnte in Höhe des oberen Geschosses nachgewiesen werden. Einen vergleichbaren Umgang besaß der Wohnturm der Riesenburg bei Osek. Der Wohnturm riegelte die Spitze des Bergsporns ab. Der Bergfried hingegen sicherte die Ostseite der Burg gegen das Bergmassiv und zugleich den Eingangsbereich der Burg. Zur weiteren Absicherung wurde noch im 14. Jahrhundert die Spitze des Bergsporns unterhalb des Wohnturmes mit einem turmartigen Bauwerk (heute Bereich Kgl. Schlossküche) gesichert. Wann im Bereich des Saalbaues zwei rechteckige Gebäude und eine halbrunde Bastion angebaut wurden, ist ungeklärt. Dies könnte noch unter den Donins oder aber erst Anfang des 15. Jh. unter den Bünaus geschehen sein. Die halbrunde Bastion in der Mitte spricht eher für den späteren Zeitpunkt. Weitere Wohn- und Zweckbauten werden sicherlich im Bereich der Schlosskapelle und des Unterschlosses vorhanden gewesen sein. Diese können auch aus Fachwerk oder Holz bestanden haben; von ihnen haben sich aber keine Reste erhalten. Immerhin waren für den Betrieb der Burg u.a. eine Küche, Vorratsräume, eine Schmiede, Stallungen und Schlafmöglichkeiten der Burgbesatzung notwendig.

Weesenstein um 1400, Vogelperspektive von Süden

Burg Weesenstein; Vogelperspektive von Süden; vereinfachter Rekonstruktionsversuch der Zeit um 1400; Arte4D für Arstempano

Die Beschreibung erweckt durchaus den Eindruck einer starken Befestigung. Es war nahezu unmöglich, die Burg ohne Zerstörung von Bauteilen nur mit Hilfe von Sturmleitern zu erobern. Die Kampfplattform des Bergfrieds lag immerhin etwa 35 Meter über dem ersten Burgtor und knapp 50 Meter über der Müglitz. Gänzlich anders war die Situation, wenn der Gegner die Umgebung beherrschte und Belagerungsmaschinen einsetzen konnte. Dann saß man auf dem Weesenstein in der Falle. So muss es auch 1402 gewesen sein, als eine Steinschleuder wohl am nördlichen Gegenhang in nur etwa 120 Meter Entfernung aufgerichtet wurde. Diese zerstörte nach den Untersuchungen von Einhart Grotegut mindestens den Bergfried, vermutlich aber noch mehr Bauteile. Da die Schussposition deutlich über der Burg lag, konnte die Burgbesatzung sich kaum wehren. Mit der Zerstörung von wichtigen Verteidigungsbauten war die Burg dann "sturmreif" und wohl nicht mehr zu verteidigen.

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